18. Mai 2006
Poesiealben aus den Jahren 1912 bis 1975 liegen im AWO-Treff in Bad Rodach auf. Wer möchte, kann in eigenen und fremden Erinnerungen schwelgen. Ihr materieller Wert ist gering. Sie sind aus einfachem Papier, zum Teil mit einem Faden per Hand geheftet, manchmal sogar mit selbstgebastelten Umschlägen.
Schlicht liegen 26 Poesiealben auf zwei Tischen im AWO-Treff Bad Rodach. Als die Leiterin Susanne Arndt die Ausstellung eröffnet, fällt ihr eine Besucherin um den Hals: "Ich möcht´ Sie am liebsten umarmen."
Sofort beginnt der geistige Wert der vergilbten Seiten zu wirken. Die meist älteren Damen blättern in ihren eigenen Poesiealben, suchen Einträge von Freunden und Freundinnen. Und bei jedem Buch, auf jeder Seite fällt ihnen eine Geschichte ein.
"Ich habe in den vergangenen Wochen viel gelacht und viele, viele Geschichten gehört", sagt Arndt, die die Poesiealben sammelte und zu der Ausstellung zusammentrug. In einem fand sie einen Eintrag ihrer eigenen Großmutter. Arndt zeigt gerührt auf ihre Zeilen: "Wandle stets auf guten Wegen, bleibe sittsam fromm und rein, dann wird Gottes reicher Seegen, überall auch bei dir sein."
Solche Einträge sind typisch für die Alben vor dem 2. Weltkrieg und auch noch bis in die 60er-Jahre: "Sei stets der Eltern Freude, beglücke sie durch Fleiß . . . "
Oftmals wurden die Alben noch während der Schulzeit in irgend eine Schublade gesteckt - und verstaubten dort. Aber ein Poesiealbum wegwerfen? Niemals. Auch nicht, wenn es ein fremdes ist.
Eine Coburgerin stellt das Poesiebuch ihres Cousins aus. Die meisten Einträge sind von 1940. Mit 13 Jahren wurde sie aus Girsdorf vertrieben, das heute in Polen liegt. Als sie nach 50 Jahren ihr Heimatdorf besuchte, stand das Haus noch. Die polnischen Bewohner zogen aus einer staubigen Ecke dann dieses Posiealbum hervor.
Die Sprüche und Gedanken sind noch in alter deutscher Handschrift geschrieben. Polnische Kinder haben das Album gefunden und die freien Seiten bemalt. Die Schrift konnten sie nicht lesen, die Sprache nicht verstehen.
Die Schriften sind so verschieden wie die Einträge. Manche Schriften sind gut zu lesen, andere nur mit Mühe. "Obwohl wir früher Schönschrift in der Schule hatten, erkennt man überall die Menschen. Es ist individuell", freut sich die 2. Vorsitzende der AWO, Roswitha Friedrich. tab