18.Juli 2007
VON CHRISTA BURKHARDT
EBERSDORF ? ?Wie halten wir es mit der Kinderbetreuung??, formulierte Barbara Stamm die Gretchenfrage der aktuellen Familienpolitik bei einer Diskussionsveranstaltung der Frauenunion am Montagabend.
Die Vizepräsidentin des bayerischen Landtages und stellvertretende CSU-Parteivorsitzende setzte in ihrem ausführlichen Statement zwei Schwerpunkte: Wie muss eine moderne Kinderbetreuung aussehen? Und: Wie kann der ländliche Raum gestärkt werden beziehungsweise sich selbst stärken?
Wieviel diese beiden Fragen miteinander zu tun haben, wurde im Lauf des Abends überdeutlich. In Hinblick auf die Kinderbetreuung kritisierte Stamm, dass das Angebot und der Ausbau der derzeit von so vielen Seiten geforderten (Klein-)Kinderbetreuung allein nicht forciert werden dürfe. ?Die Qualität muss nicht nur stimmen, sondern auch kontinuierlich besser werden?, forderte die erfahrene CSU-Sozialpolitikerin. Und genau das tue sie derzeit nicht.
Weder dürften möglichst viele ?Verwahrplätze? für die Kleinsten noch möglichst frühe intellektuelle Förderung wie in der Schule Ziele sein. Der PISA-Sieger Finnland schult erfolgreich mit sieben Jahren ein. ?Kleine Kinder brauchen Bindung, nur so lernen sie Vertrauen in die Welt zu haben und können sich auch geistig entwickeln?, sagte Stamm.
Wenn diese Bindung in der heutigen Zeit nicht mehr in jedem Fall - wie früher üblich - von der Mutter und oft einer stattlichen Anzahl an Geschwister- und Nachbarskindern gewährleistet werden könne, müsste, könnte und wollte qualifiziertes Personal in Kinderkrippen und Kindergärten diese Bindung möglichst eng knüpfen.
Ein Betreuungsschlüssel wie der aktuell gültige (zwölf Kinder unter drei Jahren werden von einer Erzieherin betreut) gefährde diese Bindung jedoch. Dass Bindung und unmittelbar daraus resultierend Bildung deshalb auch etwas kosten dürfen muss, machte Stamm deutlich: ?Die Sozialpolitik des 21. Jahrhunderts ist die Bildungspolitik.?
Viele der anwesenden Kommunalpolitiker rechneten nun still für sich im Kopf nach, wieviel der Staat sich diese Zukunftsaufgabe derzeit kosten lässt und welchen Anteil davon er ohne Skrupel an die finanziell ausgebrannten Kommunen weitergibt. Da überraschte die Landtagsvizepräsidentin mit der Aussage: ?Vieles, was auf den ersten Blick teuer zu machen scheint, ist in der konkreten Umsetzung gar nicht so teuer.?
Und schon hatte sie den Brückenschlag von der modernen Kinderbetreuung hin zur Stärkung des ländlichen Raumes vollzogen. Viel autonomer müssten die Kommunen sein, viel mehr Spielraum haben oder sich einfach nehmen. Niemand kenne die Situation vor Ort so gut wie die lokal Verantwortlichen und Aktiven. Sie wüssten am besten, was in der eigenen Kommune machbar sei.
?Wir brauchen weniger Ministererlasse und mehr Eigeninitiative der Basis, und zwar insbesondere im ländlichen Raum?, sagte Stamm. Ländlicher Raum sei in jedem Fall mehr als Straßenbauprojekte. Der Vorschlubereich gehöre in kommunale Hand, sogar der gesamte Hauptschulbereich lasse sich kommunal gestaltet viel besser positionieren und entwickeln. Hier müssten Politik, Vereine und Mittelstand an einem Strang ziehen. ?Je mehr Verantwortung wir nach unten geben desto besser?, sagte Stamm. Schließlich gehe es darum, dass junge Menschen in der Region bleiben - oder wiederkommen.