Das Leben meiner Mutter
Probleme zwischen Mutter und Tochter
Dies ist ein sehr persönliches Buch, denn die Geschichte ist wahr: Doris Lessing, die englische Schriftstellerin, erinnert sich an ihre Kindheit in Rhodesien sowie die kleinen und großen Meinungsverschiedenheiten und Kleinkriege mit ihrer Mutter. Lessing kritisiert nicht und wertet nicht, sondern sie beschreibt, wie unerträglich ihre Mutter war und wie unerträglich sie selbst sich verhielt. Hinzu kommt, daß ihre Eltern so gar nicht zueinander passen. Die Mutter sehnt sich nach einer bürgerlich gesicherten Existenz, wie sie für junge Mädchen aus besserem Hause im viktorianischen England erstrebenswert war. Der Vater dagegen, im Krieg schwer verwundet, sucht das Abenteuer in Afrika. Materielle Sicherheit bedeutet ihm nichts. Die Probleme sind vorprogrammiert. Niemals wirklich gern folgt die Mutter dem Ehemann nach Persien, wo Doris und ihr Bruder geboren werden. Anschließend geht es nach Rhodesien, wo sich der Vater nicht nur finanziell erfolglos als Farmer versucht. Ihr Leben lang sehnt sich die Mutter nach einem geordneten Leben in einem Londoner Vorort mit Kaffekränzchen, Small Talk und Hausmusik. Wenn sie das schon nicht haben kann, soll es wenigstens der Tochter vergönnt sein. Aber die genießt das wilde, unstete und freie Leben im Busch. Die Farm ist für die Mutter die Hölle und für die Tochter das Paradies. Als Doris noch klein ist, macht sich die Mutter Sorgen. Aber als sie größer wird, beginnen die üblichen Machtspiele und verletzenden Auseinandersetzungen, bei denen es nur Verlierer geben kann. Als Doris erwachsen ist, heiratet sie selbstredend den falschen Mann und erzieht ihre Kinder völlig verkehrt. Das weiß die Mutter genau. Es ist die alte Geschichte zwischen Mutter und Tochter: Die beiden sind sich allzu ähnlich und haben gleichzeitig allzu verschiedene Ansichten. Vom Leben, von der Politik, von Gott und der Welt. Es ist ein sehr persönliches Buch, das trotzdem nicht nur Einblicke in die Schwierigkeiten zwischen Doris Lessing und ihrer Mutter gibt. Es ist ein interessantes Psychogramm sowohl einer Beziehung als auch einer Epoche. Daß Doris Lessing erzählen kann, beweist sie auch in diesem Buch eindrucksvoll.
Doris Lessing: Das Leben meiner Mutter (109 Seiten). Diana Verlag München / Zürich 1998. Nr. 0003. 12 DM.