Die Trompeterin
Mein Vater war eine Frau
Was bleibt, wenn sich nach dem Tod eines geliebten Menschen herausstellt, dass dieser ein ganz anderer war als man glaubte? Was macht ein junger Mann durch, wenn er erfährt, dass sein Vater, der gefeierte Jazz-Trompeter Joss Moody, eine Frau war? Colman wusste, er wurde adoptiert. Aber er hielt seine Eltern sein Leben lang für Mann und Frau. Bis der Totenschein seines Vaters vermeldet: ,,Geschlecht: weiblich". Colman ist verletzt. Warum zog ihn sein Vater nicht ins Vertrauen? Colman ist wütend. Wie kann jemand seine Familie, seine Freunde, die ganze Welt derart dreist belügen? Colmans Welt bricht zusammen. Er zweifelt an allem und will sich rächen. Einer Journalistin verspricht er für teures Geld eine Enthüllungsstory. Hier beginnt Jackie Kays beeindruckendes Psychogramm einer Familie. Einer Frau, die beschloss, als Mann zu leben. Einer Frau, die diese Frau heiratete und ihr Geheimnis bewahrte. Eines jungen Mannes, den die beiden adoptierten. Colman erinnert sich, die Journalistin hört ihm zu. Colmans Mutter erinnert sich ebenfalls, einsam, kilometerweit entfernt, und trauert über den Verlust des Menschen, den sie liebte. Der Leser fängt auf Grund dieser beiden unterschiedlichen Erinnerungen an, Joss Moody zu verstehen. Nie hätte sie als Jazz-Trompeterin berühmt werden können. Wohl aber als Trompeter. Auch Colman versteht allmählich. Nicht nur die Entscheidung seines ,,Vaters", mit dieser Lüge zu leben, sondern vor allem die Tatsache, wie wenig Bedeutung diese Entscheidung letztlich hat. Dass es keine Rolle spielt für seine Gefühle für diesen Menschen, den er für seinen Vater hielt. Was immer er gewesen sein mag, er liebte ihn. ,,Es ist nicht so wichtig, wo du her kommst. Wichtig ist, was du aus dir machst", ist das Vermächtnis Joss Moodys an seinen Sohn. Inspiriert durch die wahre Geschichte des Musikers Billy Tipton liefert Jackie Kay ein beeindruckendes Roman-Debüt.
Jackie Kay: Die Trompeterin (238 Seiten). Argon Verlag Berlin 1999. ISBN 3-87024-493-3.