8. November 2006
VON TIM BIRKNER
COBURG ? Vier Städte und Gemeinden im Landklreis Coburg haben noch ein eigenes Stromleitungsnetz. Überall in der Region entstehen Solarfelder oder Biogasanlagen. In Gemünda beispielsweise wird bald mehr Strom erzeugt, als im Dorf verbraucht wird. Ist das eine Garantie gegen Stromausfälle?
Ist das kleine oberfränkische Dorf Gemünda wirklich unverwundbar? Können Luxusliner die Ems hinunterfahren, ohne dass in Oberfrankens schönstem Dorf die Lichter ausgehen?
Axel Dressel betreibt ein Solarfeld mit 100 Kilowatt Leistung, genug Strom um 35 bis 40 Haushalte zu versorgen. Den umweltfreundlichen Strom speist er ins Netz ein. ?Klar hatten wir am Samstagabend Strom?, sagt er. Auch in Autenhausen und Dietersdorf brannten die Lichter. Der Grund ist einfach. ?Wir hängen am unterfränkischen Netz. Nachdem Ebern Strom hatte, hatten wir auch welchen?, sagt Dressel.
Wie seine Anlage sind alle Anlagen netzgeführt. ?Auch privat kann ich mir keinen Strom abzapfen, das wäre ein riesiger technischer Aufwand?, erklärt er. Netzgeführt bedeutet, dass die Anlage automatisch abgeschaltet wird, wenn im Netz die Spannung zusammenbricht und die Frequenz fehlt. Windräder bremsen dann automatisch ab und blockieren, Biogasanlagen werden abgeschaltet. Nur der Fermenter, der Teil der Anlage, in der das Gas erzeugt wird, läuft weiter. ?Die Gasproduktion läuft kontinuierlich weiter. Der Puffer ist in der Regel ein halber Tag. Wenn die Anlage dann nicht wieder läuft, muss das Gas über eine Fackel verbrannt werden?, sagt Dressel.
Selbst wer in unmittelbarer Nähe eines Kraftwerkes wohnt, hat deshalb noch lange keinen Strom. Diese Erfahrung machte auch der Weidhausener Bürgermeister Werner Platsch. Er war am Wochenende in Hausen am Main, wo die SÜC ein Wasserkraftwerk betreibt. Über eine Stunde saß er im Dunkeln und blickte auf Vierzehnheiligen. Die Basilika war nach zehn Minuten wieder in vollem Glanz angestrahlt.
Die Städte Neustadt bei Coburg, Rödental sowie Bad Rodach und die Gemeinde Eberdorf sind noch im Besitz ihres Stromleitungsnetzes. Auch das ist keine Garantie gegen Stromausfälle. Thomas Hader, stellvertretender Leiter der Gemeindewerke Ebersdorf, meldete für Samstagabend ebenfalls einen Stromausfall. ?Unser Netz hängt an dem der SÜC und das an dem der E.ON. Wenn diese Netze wegbrechen, geht bei uns auch nichts mehr. Das zieht sich von oben nach unten durch?, sagt Hader.
Oben, das ist die E.ON, das ist das europaweite Versorgungsnetz mit 380 kV-Hochspannungs-Leitungen. Unten das sind wir Stromkunden und die kleinen Einspeiser wie Axel Dressel. Da nützt Ebersdorf auch keine Biogasanlage, wie die am Dorfrand von Großgarnstadt. ?Das öffentliche Netz muss vorhanden sein, damit die Anlage läuft?, sagt Hader und begründet: ?Wenn das Netz weg ist und vielleicht gerade repariert wird, wäre es tödlich, wenn wir Strom auf die Leitung geben.? Nicht nur fürs Netz, auch für den Techniker.
Bad Rodach hatte 1995 sein Stromnetz zurückgekauft. Auch dort fiel am Samstagabend der Strom aus. Werksleiter Horst Sorg begründet daher den Vorteil eines stadteigenen Netzes auch ganz anders: ?Unsere Kunden haben einen Anprechpartner vor Ort, der ihnen Strom, Wasser und Gas verkauft.? Für die Kunden sei das schöner ? auch wenn der Strom mal ausfällt.