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Mathe fällt heute aus

19. Juli 2010

Coburg – Zuerst die gute Nachricht: 92,1 Prozent des Unterrichts an bayerischen Schulen finden planmäßig statt. Also die vorgesehene Lehrkraft unterrichtet das vorgesehene Fach. Das ergab eine Erhebung des bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus für das laufende Schuljahr. Als Stichprobe wurden sowohl im Herbst 2009 als auch im Frühjahr 2010 Unterrichtsausfälle an 489 Schulen neun unterschiedlicher Schularten untersucht. So viel Mühe mit einem leidigen Thema gab sich das Ministerium selten. „Vor zehn, 20 Jahren fiel viel mehr Unterricht aus als heute. Da schickte man die Kinder früher heim. Seit den frühen 1990er Jahren wollen Eltern ihren Kindern möglichst gute Bildungschancen geben, also schauen sie darauf, dass möglichst viel Unterricht stattfindet“, sagt Dr. Ludwig Unger, Pressesprecher des Kultusministeriums.Entsprechend nimmt das Land einiges Geld für mehr Lehrkräfte in die Hand, baut Vertretungs-Pools auf und erstellt für und mit den Schulen konkrete Pläne, was zu tun ist, wenn ein Lehrer ausfällt.Am leichtesten fällt das im Grundschulbereich. Hier werden generell 6 Prozent der Lehrkräfte als sogenannte Mobile Reserven vorgehalten. Sie steigen für ein oder mehrere Jahre aus der Klassenführung aus, vertreten hier eine schwangere Lehrerin, dort einen Lehrer, der sich einer Operation unterziehen muss. Neben dieser langfristigen Vertretung gibt es Mobile Reserven auch für kurzfristige Ausfälle. Wenn ein Lehrer zur Fortbildung fährt oder auf Klassenfahrt. Diese Termine laufen im Schulamt zusammen. Hier werden die Mobilen Reserven zur rechten Zeit ins richtige Klassenzimmer geschickt. Und dann gibt es noch die sehr kurzfristigen Fälle: Wenn sich morgens ein Lehrer krank meldet. „Hier schaffen wir es in der Regel, dass spätestens zur 3. Unterrichtsstunde eine Mobile Reserve da ist“, sagt Schulamtsdirektor Johannes Barfuß nicht ohne Stolz.Kernfächer abgedecktUnd außerdem: „Unsere Lehrer sind dafür ausgebildet, den gesamten Fächerkanon der Grundschule zu unterrichten. Wenn Deutsch auf dem Stundenplan steht, gibt es Deutsch. Für Mathe gilt das Gleiche. Vielleicht kann Schwimmen nicht planmäßig gegeben werden, weil man dafür eine Sondergenehmigung braucht oder katholische Religion. Aber die Kernfächer werden auch im Vertretungsfall kompetent unterrichtet“, sagt Barfuß.Schwieriger wird es an den weiterführenden Schulen. „Wir sind mit Hauptschullehrern so knapp, dass wir keine Mobilen Reserven haben“, sagt Barfuß. Und wer kann schon ad hoc Physik in der 9. Klasse unterrichten? Oft wird hier im Ring getauscht: Der Neuntklass-Lehrer ist krank. Eine Mobile Reserve der Grundschule geht in die 5. Klasse, der Fünftklasslehrer unterrichtet die 9. Klasse. „Das ist zwar nicht optimal, aber besser als nichts“, sagt Barfuß. Die Hauptschulen sind die Problemzone der Lehrerversorgung. Hauptschullehrer sind generell knapp, Nachwuchs ist wenig in Sicht, die Kollegien sind relativ alt. In den Realschulen und Gymnasien wird im Vertretungsfall anders gearbeitet. Denn hier sind die Lehrkräfte auf einige wenige Fächer spezialisiert. Wenn ein Chemielehrer ausfällt, kann ein Englischlehrer wohl die Klasse beaufsichtigen, natürlich auch Englisch unterrichten, aber gewiss nicht Chemie.Deshalb fällt es an Realschulen und Gymnasien viel mehr ins Gewicht, wenn der Unterricht nicht (stunden-)planmäßig gehalten werden kann. Es also Englisch statt Chemie gibt. Und das womöglich über mehrere Wochen. „Hier ist die Situation in manchen Fächern prekär“, sagt Dr. Unger. Wenn sich an einem altsprachlichen Gymnasium der einzige Latein-/ Griechisch-Lehrer das Bein bricht, hat die ganze Schule wochenlang keinen entsprechenden Unterricht. - Wer die engen G8-Lehrpläne kennt weiß, dass es für die Klasse dann schwierig ist, das Pensum zu schaffen. - Ein häufiger Streitpunkt mit den Eltern.Ähnlich schwierig ist es in den naturwissenschaftlichen Fächern. Auch hier fehlen Gymnasiallehrer. „Aber auch hier haben wir reagiert, und den Schulen Handlungsspielraum gegeben“, sagt Unger. Jede einzelne Schule ist angehalten, sich einen eigenen Pool an potenziellen Vertretungslehrern aufzubauen. Pensionierte Lehrer und Fachleute aus anderen Branchen (Französisch-Dolmetscher, Maschinenbauer etc.), denen die Schulleitung kompetenten Unterricht zutraut, springen für krankheitsbedingte Ausfälle ein. Das unmittelbare Vorgehen bei plötzlichen Krankheitsfällen ist überall gleich: Fällt eine Lehrkraft aus, wird - so diese eine Freistunde hat - eine Vertretung in die Klasse geschickt, die ohnehin in dieser Klasse unterrichtet. Das sei vor allem bei den Kleinen wichtig.Geht das nicht, versucht man eine Fachlehrkraft zu finden, damit das, was auf dem Stundenplan drauf steht auch stattfinden kann. Geht auch das nicht, übernimmt ein Lehrer, der eine Freistunde hat. „Jeder Lehrer kann in jeder Situation sinnvoll Unterricht halten“, traut Oberstudienrat Thomas Meier vom Gymnasium Burgkunstadt seinen Kollegen zu. „Bei uns arbeiten in Krankheitsfällen die Kollegen mehr, auch wenn das eine zusätzliche Belastung ist. Da hält das Kollegium zusammen“, sagt Meier.Enger ist die Situation am Alexandrinum Coburg. Hier werden in jedem Fall die Kernfächer vertreten. „Randstunden fallen bei uns in den höheren Klassen auch mal aus“, sagt Oberstudiendirektor Herbert Röser. „Das machen wir in der Unterstufe natürlich nicht. Wenn die Lehrkraft frei ist, verlegen wir auch mal den Nachmittagsunterricht auf den Vormittag.“ Bei absehbaren Dauerengpässen oder längeren Erkrankungen „setzen wir mit Zeitverträgen ausgestattete Lehrkräfte ein“.Sportler unterrichtenDiesen Weg gehen auch das Arnold-Gymnasium Neustadt und das Meranier-Gymnasium Lichtenfels. Da unterrichten schon mal erfahrene Sportler und Übungsleiter Sport oder eine ortsansässige Diplom-Biologin - auf Zeit - ihr Fach.Dieses Vorgehen ist vom Kultusministerium absolut erwünscht. „Wir haben hier die Schulen sowohl mit einem eigenen kleinen Etat als auch der Entscheidungsbefugnis ausgestattet, sich vor Ort einen Pool an potenziellen Vertretern aufzubauen“, sagt Dr. Unger. Und räumt ein: „Das ist in Universitätsstädten natürlich einfacher als in Cham oder Burgkunstadt.“Außerdem ist das Meranier-Gymnasium auch für kurzfristige Ausfälle gerüstet. „Bei uns haben alle Fachschaften für alle Fächer und Jahrgangsstufen Materialien mit Übungen und Aufgaben zusammengestellt, auf die jede Vertretung zurückgreifen kann“, sagt der stellvertretende Schulleiter Norbert Moschall.„Die Sicherung der Unterrichtsversorgung ist und bleibt ein zentrales Ziel der bayerischen Bildungspolitik“, heißt es auf der Homepage des Kultusministeriums. Aber was tun, wenn zu wenige Lehrer da sind?

Christa Burkhardt


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